Beam Steering hat sich in der Beschallungstechnik als eine der innovativsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte etabliert. Durch die gezielte, digitale Steuerung des Abstrahlverhaltens von Lautsprechern eröffnet Beam Steering völlig neue Möglichkeiten, insbesondere in akustisch anspruchsvollen Umgebungen oder bei strengen regulatorischen Vorgaben. Dieser Artikel beleuchtet umfassend die technischen Grundlagen, Entwicklungsgeschichte, praktischen Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der Beam Steering-Technologie im Kontext moderner Audiotechnik. – Neben der technischen Klangoptimierung spielt auch die gezielte emotionale Ansprache durch Sound eine große Rolle. Einen tieferen Einblick hierzu bietet der Artikel Die Macht des Klangs im Digitalzeitalter.
Technologische Grundlagen
Beam Steering (elektronische Strahlformung) bezeichnet das gezielte Formen und Ausrichten des Abstrahlverhaltens eines Lautsprecher-Arrays durch individuelle digitale Ansteuerung der einzelnen Elemente. Durch Manipulation von Phase und Amplitude jedes Lautsprechers in einem PA-System lässt sich so die Schallabstrahlung virtuell ausrichten: Schallwellen werden an gewünschten Punkten konstruktiv überlagert und in unerwünschten Richtungen ausgelöscht. Auf diese Weise kann man Schallenergie auf die Hörfläche konzentrieren und Bereiche außerhalb gezielt “abschatten”. Da jede Frequenz aufgrund ihrer Wellenlänge anders interferiert, muss die Signalphase für alle Frequenzen separat kontrolliert werden. Dies erfordert hochauflösende digitale Filter (typischerweise FIR-Filter) in jedem Signal-Kanal, um für das gesamte hörbare Spektrum Phasen- und Pegelverhältnisse präzise einzustellen. Erst die Verfügbarkeit leistungsfähiger DSPs ab den 2000er Jahren machte diese getrennte Ansteuerung pro Frequenzband praktikabel – mit traditionellen analogen Filtern wäre es unmöglich, jede Punktschallquelle oder jedes Array-Element einzeln und frequenzabhängig zu steuern. Weitergehende Informationen zur digitalen Signalverarbeitung (DSP) und den psychoakustischen Grundlagen der räumlichen Klangwahrnehmung finden Sie im Artikel Immersive Audio: Technische Grundlagen, Wahrnehmungspsychologie und Produktionsherausforderungen.
Frühe digitale Steuerungsverfahren vs. echtes Beam Steering: Wichtig ist die Unterscheidung zwischen digitaler Array-Optimierung bei konventionell gekrümmten Arrays und vollständigem Beam Steering bei geraden Arrays. Erstere Kategorie umfasst Systeme wie Martin Audio MLA oder d&b ArrayProcessing, die weiterhin ein mechanisch gekurvtes Line-Array verwenden und per DSP Feinanpassungen vornehmen. Das physisch vorgebogene Array wird also durch digitale Filter so “geglättet”, dass ein homogeneres Abstrahlverhalten erreicht wird. Ziel ist vor allem, Schwankungen im Frequenzgang und Pegel über die Zuschauerfläche auszugleichen. Eine echte Neuausrichtung des Hauptabstrahlwinkels ist hierbei nur begrenzt möglich (meist handelt es sich um Feinjustagen im Bereich weniger Grad). Demgegenüber steht echtes Beam Steering: Hier bleibt das Array physisch gerade, und die Richtwirkung wird ausschließlich durch digitale Verzögerungen und Filter geformt. Das Signal jedes Treibers wird individuell so gefiltert, dass das gesamte Array eine gemeinsame, gezielt gebogene Schallwelle abstrahlt. Solche Systeme nutzen meist viele kleine, eng beieinander angeordnete Treiber mit breiter Abstrahlung, um durch Interferenzen ein fokussiertes Gesamt-Abstrahlmuster zu formen. In klassischen Line-Arrays werden hohe Frequenzen bekanntermaßen durch Waveguides gebündelt, um Interferenzen zu vermeiden; bei Beam-Steering-Arrays hingegen lässt man alle Elemente (insbesondere für Hochton) zunächst breit abstrahlen und formt die Bündelung anschließend elektronisch durch Phasenüberlagerung. Moderne Beam-Steering-Systeme erlauben es dadurch, Öffnungswinkel und Neigung des Schallbündels softwareseitig in Echtzeit einzustellen, ohne das Array mechanisch neigen zu müssen.
Leider hat dies die Bildung von Nebenkeulen und Klangfärbung durch Interferenzen, insbesondere bei hohen Frequenzen, zur Folge. Deshalb waren frühere digitale Säulensysteme oft lediglich auf den Sprachbereich begrenzt, da oberhalb (ab ca. 10 kHz) starke Kammfiltereffekte auftreten können, wenn die einzelnen Treiber nicht extrem dicht gestaffelt sind. Heutige Arrays kombinieren sehr kleine Treiberabstände und fortschrittliche Filtertechniken, um solche Artefakte zu minimieren: So verwendet K&F VIDA spezielle Waveguides, um typische Interferenz-Artefakte zu vermeiden. Allgemein gilt als Kriterium, dass der Abstand benachbarter Treiber kleiner als die halbe Wellenlänge der höchsten zu steuernden Frequenz sein muss, während die Array-Länge größer als die Wellenlänge der tiefsten Frequenz sein sollte. Werden diese Bedingungen erfüllt und jedes Element mit einem eigenen FIR-Filter angesteuert, kann ein breitbandiges Beam Steering erzielt werden, das alle Audio-Frequenzen umfasst. Andernfalls bleibt die Steuerbarkeit auf einen begrenzten Frequenzbereich beschränkt (tiefe Frequenzen erfordern sehr lange Arrays; hohe Frequenzen erfordern dichte Treiberanordnung).
Entwicklungsgeschichte
Die Grundlagen elektronisch steuerbarer Lautsprechersysteme entstanden bereits gegen Ende des 20. Jahrhunderts. 1996 brachte Duran Audio mit dem Intellivox 2C das weltweit erste kommerziell verfügbare, vollständig integrierte Säulenlautsprechersystem mit digitaler Beam-Steering-Technologie auf den Markt. Dieses nutzte die natürliche Schallinterferenz zwischen den in einer Säule angeordneten Treibern, gesteuert durch DSP, um die vertikale Abstrahlung gezielt in Richtung der Zuhörer zu lenken. Solche frühen Beam-Steering-Säulen waren primär für Sprachbeschallung in halligen Räumen (Kirchen, Bahnhöfe u. ä.) konzipiert, wo sie die Sprachverständlichkeit durch Minimierung von Decken- und Bodenreflexionen drastisch verbesserten. Im Jahr 2000 stellte Duran Audio das Konzept der Digital Directivity Synthesis (DDS) vor, das eine präzisere Frequenzgang-Kontrolle der Abstrahlung erlaubte. Bis 2004 entwickelten sich diese Ansätze weiter zum sogenannten Beam Shaping, bei dem das Ziel nicht nur die Steuerung der Hauptkeule, sondern die gezielte Formung des gesamten Abstrahlprofils war. Hersteller wie Renkus-Heinz (Iconyx-Serie, ab 2005) und Tannoy (QFlex, ab ca. 2008) trieben die Verbreitung digital steuerbarer Säulen ebenfalls voran.
Ab Mitte der 2000er Jahre hielt die digitale Lautsprechersteuerung auch im Live-Touring-Bereich Einzug. Zunächst kamen hybride Ansätze zum Einsatz, bei denen konventionelle Line-Arrays mit DSP-Unterstützung optimiert wurden. Ein Meilenstein war Martin Audio’s MLA (Multi-Cellular Loudspeaker Array), vorgestellt 2010. Hier wurde ein großes Beschallungs-Array aus modularen Line-Array-Elementen in viele einzeln kontrollierbare Zellen unterteilt (6 “acoustic cells” pro Lautsprechergehäuse). Jede dieser Zellen besitzt eigene Verstärker- und DSP-Kanäle, sodass das System insgesamt z. B. in einem 24-Box-Array 144 einzeln steuerbare Schallelemente umfasst. Mit Hilfe von computerbasierten Optimierungsalgorithmen (Martin Audio DISPLAY) werden für all diese Zellen passende FIR-Filter berechnet und in die Lautsprecher geladen. Damit verfolgt MLA einen zielbasierten Ansatz: Der Nutzer definiert, welchen Frequenzgang und Pegel er an verschiedenen Publikumspositionen erreichen möchte – die Software ermittelt automatisch die erforderlichen Filter- und Pegelsettings jeder Array-Komponente, um dieses Ziel zu erreichen. Im Ergebnis konnte man mit MLA bereits früh erstaunliche Resultate erzielen, z. B. einen nahezu konstanten Pegelverlauf von der Front bis zum hintersten Zuhörerplatz (mit deutlich geringerem Pegelabfall als beim 3 dB-Abstands-Gesetz). Andere Hersteller zogen nach: 2013 präsentierte EAW das Anya-System, ein adaptives Line-Array mit vergleichbarem Prinzip (individuell angesteuerte Waveguides über die gesamte Front jedes Moduls). d&b audiotechnik führte 2014 eine ArrayProcessing-Software ein, welche die firmeneigenen Line-Arrays mittels FIR-Filter auf gleichmäßigen Klang über die Distanz optimiert. Diese frühen digitalen Steuerungen erweiterten also bestehende Array-Technologien um eine rechnergestützte Komponente, blieben aber konzeptionell noch nahe an klassischen (mechanisch gekrümmten) Line-Arrays.
Parallel dazu wurde echtes Beam Steering für musikalische Beschallung immer ausgereifter. Deutsche Hersteller spielten dabei eine führende Rolle: Fohhn Audio entwickelte ab Ende der 2000er Jahre die Linea Focus-Serie, ein schlanker aktiver Säulenlautsprecher mit Beam Steering für Installationen. Schon um 2010 waren Fohhn’s Systeme in Kirchen und Konferenzsälen im Einsatz, um Beschallung unauffällig und gezielt zu ermöglichen. In den folgenden Jahren weitete Fohhn das Konzept auf größere modulare Systeme aus – etwa die Focus Modular und Focus Venue Modelle (ab ca. 2017–2019) für Konzerte und Touring-Anwendungen. Diese bestanden aus kaskadierbaren, geraden Array-Modulen mit integrierter Beam-Steering-Technik und genug Leistung, um auch Rock/Pop-Beschallung abzudecken. Ein weiteres Beispiel ist Kling & Freitag (K&F), die 2016 das VIDA-System vorstellten. VIDA (Versatile Intelligent Digital Array) ist ein modular aufgebautes, vollaktives koaxiales 3-Wege-Array-Modul mit 48 einzelnen Treibern und DSP/Verstärker-Kanälen pro Element/Modul, das in Echtzeit beamgesteuert werden kann. Mehrere VIDA-Module können zu einem vertikalen Cluster kombiniert werden, was Längen bis ~9 m erlaubt – genug, um auch tiefe Frequenzen bis etwa 60 Hz gerichtet abzubilden. Das System ist übrigens seit Herbst im großen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg installiert mit insgesamt sechs Linien aus je drei K&F Vida L, also 18 Modulen. Auch ist es im Volkstheater in Wien vorzufinden.
Durch die genannten Entwicklungen wurde Beam Steering ab Mitte der 2010er nicht mehr nur in fixen Installationen, sondern auch im Live-Bereich einsetzbar. Große Säulen-Arrays mit voller Bandbreite und Software-Steuerung markierten den Übergang von der Nischentechnologie hin zu einer realen Option in der Beschallungstechnik.
Anwendungen und Vorteile
Gecurvte Line Arrays mit DSP sind allerdings besonders im großen Live-Sound und Touring-Betrieb das Mittel der Wahl und weit verbreitet, weil hier Schalldruck und Klangqualität an oberster Stelle stehen. Die Kombination aus mechanischer Ausrichtung und digitaler Optimierung liefert in der Praxis eine ausgezeichnete Audio-Performance mit hoher Präzision. So ermöglicht beispielsweise d&b’s ArrayProcessing oder Martin MLA, dass jedes Publikumsglied denselben ausgewogenen Klang hört, trotz großer Distanzen. Das gilt aber nur, solange das Quellsignal aus der Konserve kommt (CD) oder sehr leise Instrumente auf der Bühne erklingen oder der Zuschauer so weit von der Bühne entfernt ist, dass er keinen Direktschall mehr wahrnehmen kann. Zugleich behalten diese Systeme die enorme Leistungsfähigkeit konventioneller Arrays (große Treiber, Hornvorsätze etc.), was Pegelreserven für Rock- und Popkonzerte sichert. Die Vorteile digitaler Beam-Steering-Technik werden vor allem bei komplexen Live-Veranstaltungen deutlich, die oftmals parallel auch gestreamt werden – Näheres hierzu finden Sie in Professionelles Live-Streaming bedarf hochwertigen Equipments und erfahrener Veranstaltungstechniker.
Kontrollierte Schallabdeckung
Ein weiterer Vorteil ist die kontrollierte Abdeckung: Durch DSP können bestimmte Bereiche gezielt ausgenommen werden, ohne das Array physisch neu ausrichten zu müssen. Bei MLA lässt sich z. B. eine “Hard Avoid”-Zone auf der Bühne oder außerhalb des Venue-Geländes programmieren. Dies reduziert ungewollte Schallabstrahlung (etwa zur Bühne hin, was Monitor-Sound und Rückkopplungen entschärft, oder nach außen, was Anwohner schützt) ohne die Hauptbeschallung zu beeinträchtigen. In großen Open-Air-Szenarien oder Arenen, wo primär Reichweite und hoher SPL gefragt sind und weniger reflektierende Begrenzungsflächen vorhanden sind, spielen diese optimierten Line-Arrays ihre Stärken voll aus. Sie sind in der Regel einfacher in bestehende Produktionsstrukturen zu integrieren (da sie physisch wie traditionelle PAs aufgebaut sind) und haben sich klanglich bewährt. Manche Toningenieure bevorzugen nach wie vor diese klassische Bauweise, da voll-digital gesteuerte Arrays mitunter als weniger “lebendig” oder impulsgetreu empfunden werden. Insgesamt überwiegen in Standard-Live-Anwendungen (Festivals, Tourneen, Groß-Events) die Vorteile der hybriden Methode: maximale Lautstärke und Dynamik, gekoppelt mit verbesserter Gleichmäßigkeit und weniger Trial-and-Error bei der Systemeinrichtung.
Anpassung an akustisch schwierige Bedingungen
Echtes Beam Steering zeigt seine größten Vorteile in akustisch anspruchsvollen oder architektonisch sensiblen Umgebungen. Insbesondere in Hallen mit langen Nachhallzeiten – etwa Kirchen, historische Säle oder moderne Glas-/Stahl-Architekturen – kann ein elektronisch gesteuerter Abstrahlkegel enorme Verbesserungen bringen. Durch die scharfe Bündelung auf die Publikumsfläche und das Aussparen von Decke und Wänden wird wesentlich weniger Schallenergie in den Raum gestreut. Direkt- und Diffusschall stehen in einem günstigeren Verhältnis, wodurch Sprachverständlichkeit und Klangklarheit steigen. So wirkt ein Beam-Steering-Lautsprecher wie ein akustisches Spotlight, das nur dorthin leuchtet, wo es nötig ist. Dies ermöglicht es beispielsweise, Kathedralen oder andere große Räume mit großer Nachhallzeit verständlich zu beschallen, ohne den Raum mit Lautstärke “aufzupumpen”. Die lässt sich mit herkömmlichen Lautsprechern kaum erreichen, da da eingangs ein höherer Pegel notwendig ist, um den hinteren Bereich zu erreichen, es damit aber gleichzeitig im vorderen Bereich zu laut wird.
Ein weiterer Anwendungsfall ist die unauffällige Integration in Architektur: Säulenlautsprecher mit Beam Steering können schlank an Wänden oder in Bühnenportalen verbaut werden und sind visuell weit weniger auffällig als große Line-Arrays. Renkus-Heinz bezeichnet seine Iconyx-Modelle passenderweise als “adaptable, articulate, invisible” – anpassungsfähig, präzise und unsichtbar. Diese Eigenschaft ist in Theatern, Opernhäusern oder historischen Stätten ein großer Pluspunkt, wo Lautsprecher nicht die Sicht oder Ästhetik stören sollen. Zudem bieten moderne Beam-Steering-Systeme flexible Coverage-Optionen: Durch die rein digitale Steuerung lassen sich mit einem einzigen Array mehrere getrennte Schallkeulen erzeugen. So kann z. B. ein längeres Beam-Steering-Array gleichzeitig das Parkett und einen oberen Rang beschallen, indem das DSP zwei vertikale Öffnungswinkel realisiert. In einem klassischen Setup bräuchte man dafür separate Lautsprecher in unterschiedlicher Höhe – mit Beam Steering kann ein System beides bedienen. Diese Mehrkeulen-Technik (teils als Beam Splitting bezeichnet) eröffnet Planern neue Möglichkeiten, mit minimaler Hardware maximale Abdeckung zu erzielen. Schließlich sind beamgesteuerte Anlagen auch in variablen Räumen von Vorteil: In Multifunktionshallen oder Kongresszentren, wo Bühnenpositionen und Bestuhlung öfter wechseln, lässt sich per Software das Abstrahlprofil rasch anpassen, ohne Lautsprecherpositionen und -settings physisch umzubauen. Insgesamt überwiegen die Vorteile von echtem Beam Steering überall dort, wo gezielte Schalllenkung und Raumkontrolle wichtiger sind als hoher Schalldruck – also bei schwieriger Akustik, strengen Auflagen (z. B. Denkmalschutz oder Lärmschutz) und hohem Anspruch an Gleichmäßigkeit selbst unter ungünstigen Bedingungen. Die Mechanismen, die im Beam-Steering zur gezielten Klanglenkung genutzt werden, ergänzen sich hervorragend mit den immersiven Konzepten, die in Immersive Audio im Live-Bereich umgesetzt werden.
Praxisbeispiele
Martin MLA auf dem Glastonbury
Ein schönes Praxisbeispiel für digitale Array-Steuerung ist der Einsatz von Martin Audio MLA auf dem Glastonbury Festival 2014. Hier gelang es, mit einem großen MLA-System (72 Topteile) die Beschallung so zu optimieren, dass zwischen vorderstem und hinterstem Publikumsbereich nur etwa 6 dB Pegelabfall lagen – über eine Distanz von ca. 300 m. Gleichzeitig wurden alle Tonsignale präzise an den Kanten des Zuschauerareals abgeschnitten, sodass außerhalb kaum Schall austrat. Die präzise Steuerung und Systemkontrolle ermöglichte es den Ingenieuren, die strikten britischen Lärmschutzauflagen einzuhalten und dennoch innerhalb des Areals sehr hohe Pegel zu fahren: Headliner-Auftritte erreichten Spitzenschalldruckpegel von 104–105 dBA, was zuvor auf diesem Festival undenkbar war. Das MLA-System lieferte so vorne wie hinten ein nahezu identisches Klangbild und verhinderte effektiv Lärmleckagen – ein Game-Changer für Groß-Events, der zeigte, welches Potenzial in digital optimierten Arrays steckt.
Kling & Freitag VIDA L im Kongresszentrum
Ein Beispiel, das die Stärken von echtem Beam Steering verdeutlicht, ist der Einsatz von K&F VIDA L in der Kuppelhalle des Hannover Congress Centrums (Kuppelsaal) für die Aufführung von Leonard Bernstein’s „Mass“ im Jahr 2024. Diese Halle ist akustisch äußerst anspruchsvoll (riesige Kuppel, lange Nachhallzeit), und das vorhandene Haussystem konnte den klanglichen Ansprüchen der Produktion nicht genügen. Die Verantwortlichen entschieden sich daher, ein VIDA-Beam-Steering-System zu installieren. Das gerade undmodular aufgebaute VIDA-Array wurde softwareseitig so eingestellt, dass es das Orchester und die Sänger präzise fokussiert verstärkte, ohne die stark reflektierende Kuppeldecke anzuregen, sodass selbst feinste Klangdetails abgebildet werden konnten. Gleichzeitig sorgte die integrierte Cardioid-Funktion dafür, dass tieffrequente Schallanteile nach hinten ausgelöscht werden konnte und die Bühne erstaunlich ruhig blieb – ein wichtiger Aspekt bei einer Bühnenshow mit zahlreichen Mikrofonen. Digitale Steuerungstechniken wie Beam Steering bieten auch eine ideale Ergänzung zu modernen Raumakustikkonzepten, etwa solchen, die im Bereich Immersive Audio und adaptiver Raumakustik in Konzertsälen verwendet werden.
Das Ergebnis war ein glasklarer, ausgewogener Sound im gesamten Zuschauerbereich, der sowohl vom Publikum als auch den Tonmeistern begeistert aufgenommen wurde. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie Beam Steering in der Live-Beschallung komplexe akustische Probleme lösen kann: Ein schlankes Säulen-Array, das optisch dezent bleibt, lieferte in einem schwierigen Raum ein Klangergebnis, das mit herkömmlichen Mitteln kaum erreichbar gewesen wäre. Analog hierzu ließen sich auch Installationen von Foohn z. B. in der Opéra Bastille in Paris nennen oder im indischen Parlament, sowie im Kloster Einsiedeln und der Kirche in Thalwil.
Fazit
Weitere Anwendungen beider Technologien finden sich zahlreich: Klassische digitale Arrays wie d&b SL-Series (GSL/KSL) mit ArrayProcessing werden heute auf vielen Tourneen eingesetzt, um eine konsistente Beschallung bis in die hintersten Sitzreihen zu gewährleisten. Beam-Steering-Systeme hingegen sind prädestiniert für Installationen in Parlamentsälen, Uniauditorien oder Flughafenterminals, wo gleichmäßige Sprachverständlichkeit an jedem Platz gefragt ist und Lautsprecher kaum sichtbar sein sollen. Beide Ansätze ergänzen sich in der Praxis: Während die DSP-Optimierung konventioneller PAs die Arbeitsweise im Touring-Sektor revolutioniert hat (Wegfall von langwierigen manuellen System-Einmessungen, zielgerichtete Klangabdeckung, weniger Lärmemissionen), eröffnet echtes Beam Steering völlig neue Möglichkeiten in Umgebungen, die früher als nahezu unbeschallbar galten. Die digitale Lautsprechersteuerung seit den 2000er Jahren – von frühen hybriden Lösungen bis zu modernen Beam-Steering-Technologien – hat somit die Beschallungstechnik auf breiter Front vorangebracht und ermöglicht heute Sounddesigns, die vor einigen Jahrzehnten noch unerreichbar schienen.